Was ist Chronoworking?

Du kennst das sicher: Der Wecker klingelt um 6 Uhr und du fühlst dich wie gerädert. Oder du sitzt abends noch am Schreibtisch und kommst gerade erst in Fahrt, während deine Kolleg:innen schon längst Feierabend gemacht haben. Deine Arbeit und deine innere Uhr: passen sie zusammen?

Ein Begriff, der in diesem Zusammenhang seit einigen Monaten in Social Media omnipräsent ist, ist Chronoworking. Zum Beispiel in diesem Tiktok von Management-Coach Vincent Anderson, der Chronoworking als Arbeitsform der Zukunft preist. Doch was ist Chronoworking: ein kurzlebiger Worktrend, den du getrost vorbeiziehen lassen kannst? Oder ein Modell, dass deine Aufmerksamkeit wert ist, weil es dir zu mehr Work-Life-Balance, Wohlbefinden und Gesundheit verhilft?

Chronoworking ist ein flexibles Arbeitsmodell, das sich an deinen natürlichen Biorhythmus anpasst. Es basiert auf den Erkenntnissen der Chronobiologie, einer Wissenschaft, die sich mit der zeitlichen Organisation biologischer Prozesse befasst. Die Chronobiologie untersucht, wie unsere inneren Uhren funktionieren und wie sie durch äußere Faktoren wie Licht und Temperatur beeinflusst werden.

Ein zentrales Konzept der Chronobiologie ist der Chronotyp – deine individuelle Veranlagung, zu bestimmten Zeiten aktiv oder müde zu sein. Das hängt mit deiner inneren biologischen Uhr zusammen (Tag/Nacht), die zum Beispiel deinen Hormonspiegel, die Körpertemperatur, Schlaf- und Wachphasen, Leistungsvermögen usw. zu unterschiedlichen Tageszeiten beeinflusst.

Du bist entweder eine „Lerche“ (Frühaufsteher) oder eine „Eule“ (Nachtmensch). Statt dich in das starre 9-to-5-Korsett zu zwängen, erlaubt dir Chronoworking, dann zu arbeiten, wenn du dich am produktivsten fühlst. Dabei berücksichtigt es die Erkenntnisse der Chronobiologie über unsere circadianen Rhythmen, also die etwa 24-stündigen biologischen Zyklen, die unseren Schlaf-Wach-Rhythmus steuern.

Dr. Till Roenneberg, Chronobiologe am Institut für Medizinische Psychologie der LMU München, hat den Begriff des „sozialen Jetlags“ geprägt. Dieser beschreibt die Diskrepanz zwischen unserem natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus und den sozialen Anforderungen, die uns oft zu früh aufstehen lassen. Chronoworking zielt darauf ab, diesen sozialen Jetlag zu reduzieren.

Der soziale Jetlag ist im deutschsprachigen Raum besonders hoch, weil wir durchschnittlich früh anfangen zu arbeiten. In England haben die Menschen genau die gleichen inneren Uhren, aber der soziale Jetlag ist geringer, weil die Engländer im Schnitt später anfangen zu arbeiten. 

Roenneberg meint, wir lebten in einer schizophren agierenden Gesellschaft: “Auf der einen Seite will sie eine 24/7-Wirtschaft haben, die global agiert. Auf der anderen Seite wird man komisch angeschaut, wenn man nicht um 8 oder 9 Uhr in der Arbeit ist. Das heißt: Wir müssen unsere Arbeitswelt viel flexibler gestalten und umdenken.” 

Neben flexiblen Arbeitsmodellen empfiehlt der Chronobiologe tagsüber eine andere, natürlichere Beleuchtung und möglichst viel Sonnenlicht in den Gebäuden. Denn Licht, innere Uhr und Schlaf hängen mit Produktivität, Gesundheit und Zufriedenheit am Arbeitsplatz unmittelbar zusammen.

Beim Chronoworking passt du deine Arbeitszeiten an deine natürlichen Energiephasen an. Du arbeitest in den Stunden, in denen dein Gehirn am leistungsfähigsten ist. Das bedeutet, dass du deine anspruchsvollsten Aufgaben während deiner persönlichen Leistungshochs erledigst und weniger fordernde Tätigkeiten auf Zeiten mit geringerer Energie verlegst.

Stell dir vor, du bist eine Nachteule und fühlst dich abends besonders kreativ. Mit Chronoworking könntest du deine wichtigsten Projekte in den Abendstunden angehen, wenn dein Geist am klarsten ist. Morgens hingegen erledigst du einfachere Aufgaben oder nutzt die Zeit für Entspannung und Selfcare.

1. Lerne deinen Chronotyp kennen: Beobachte über einige Wochen, zu welchen Zeiten du dich am energiegeladensten und produktivsten fühlst. Führe ein Arbeitsjournal, um deine Leistungsspitzen und -tiefs zu identifizieren.
2. Kommuniziere offen: Sprich mit deinem Team über deine Erkenntnisse und den Wunsch, deine Arbeitszeiten anzupassen. Betone die Vorteile für deine Produktivität und Arbeitszufriedenheit.
3. Starte mit kleinen Schritten: Beginne mit kleinen Änderungen in deinem Arbeitsalltag. Vielleicht kannst du an einem Tag pro Woche später anfangen oder früher Schluss machen?
4. Setze klare Grenzen: Definiere deine Arbeitszeiten und kommuniziere sie deutlich. So wissen deine Kollegen, wann sie mit dir rechnen können.
5. Bleib flexibel: Sei bereit, deinen Rhythmus anzupassen, wenn sich Lebensumstände oder Arbeitssituationen ändern. Chronoworking ist ein dynamischer Prozess.

Auch wenn du in einem traditionellen Angestelltenverhältnis arbeitest, kannst du von den Prinzipien des Chronoworkings profitieren. Sprich mit deinem Arbeitgeber und erkläre ihm die Vorteile von Chronoworking für deine Produktivität und dein Wohlbefinden. Viele Unternehmen sind offen für flexible Arbeitsmodelle, besonders nach den Erfahrungen der letzten Jahre.

Nutze außerdem bereits vorhandene Freiräume, z.B. durch Gleitzeit oder Homeoffice-Tage, und optimiere deinen Arbeitstag. Selbst bei festen Arbeitszeiten kannst du deine Aufgaben nach deinem Energielevel planen. Lege wichtige Meetings und anspruchsvolle Aufgaben in deine produktivsten Stunden. Und vergiss nicht auf die Pausen! Nutze sie gezielt, um deine Energie zu erneuern. Die Pomodoro-Technik, bei der du in 25-Minuten-Intervallen arbeitest, gefolgt von kurzen Pausen, kann dir dabei helfen, deinen Rhythmus zu finden.

1. Anpassung an den natürlichen Biorhythmus: Chronoworking ermöglicht es dir, zu den Zeiten zu arbeiten, in denen du am produktivsten und energiegeladensten bist. Das führt zu einer effizienteren Nutzung deiner Arbeitszeit und mehr Energie für dein Privatleben.
2. Flexibilität im Alltag: Durch die Möglichkeit, Arbeitszeiten flexibler zu gestalten, kannst du private Verpflichtungen und Aktivitäten besser in deinen Tagesablauf integrieren. Das reduziert Stress und verbessert die Balance zwischen Arbeit und Privatleben.
3. Erhöhte Produktivität: Wenn du zu deinen persönlichen Leistungshochs arbeitest, erledigst du Aufgaben schneller und effizienter. Du machst weniger Überstunden und hast mehr Zeit für dein Privatleben.
4. Bessere Gesundheit: Durch die Anpassung an deinen natürlichen Rhythmus kannst du Stress reduzieren und deine Gesundheit verbessern. 
5. Mehr Kontrolle und Autonomie: Chronoworking gibt dir mehr Kontrolle über deine Arbeitszeiten. Diese Autonomie fühlt sich gut an und trägt zur Balance zwischen Beruf und Privatleben bei.

Durch die Implementierung von Chronoworking kannst du also eine bessere Harmonie zwischen deinem Arbeits- und Privatleben erreichen, was letztendlich zu mehr Wohlbefinden führt. 

Chronoworking ist mehr als nur ein Trend – es ist eine Chance, dein Leben und deine Arbeit in Einklang zu bringen. Es geht darum, auf dich selbst zu hören und deinen natürlichen Rhythmus zu respektieren.

Stell dir vor, wie es sich anfühlen würde, jeden Tag zur richtigen Zeit aufzustehen, produktiv zu sein, wenn du dich am besten fühlst, und Pausen zu machen, wenn dein Körper sie braucht. Das ist Chronoworking. Erinnere dich: Du bist einzigartig und dein Arbeitsrhythmus sollte es auch sein. Hör auf deine innere Uhr und achte gut auf dich.